Die Gemeinde Ephesus

Die Gemeinde Ephesus

(Offenbarung 2, 1 – 7)

Predigt Jürgen vom 2. Juni 1996

 

Odysseus kam auf seiner Fahrt an die Inseln der Sirenen. Die Sirenen verführten mit ihren verführerischen Stimmen  die Seeleute so sehr, dass sie ihren Kurs aufgaben, um jenen herrlichen Stimmen zu folgen. Aber der neue Kurs war tödlich, denn die Schiffe zerschellten an den Klippen. Odysseus ließ sich von seinen Gefährten an den Mastbaum binden, damit er nicht von den verführerischen Stimmen weggelockt werden konnte. So entkam er der unwiderstehlichen Versuchung und überlebte.

 

Liebe Geschwister, auf unserer Reise durch die Gemeinden lernen wir heute eine Gemeinde kennen, die selber von manchen Stimmen und Verführungen bedroht ist. Diese Gemeinde lässt sich jedoch nicht in die Irre leiten, sondern bindet sich ganz an das Wort Gottes, damit sie freibleiben kann von fremden Mächten, Stimmen und Einflüsterungen. Diese Gemeinde kentert nicht in den gefährlichen Fahrwassern unserer Zeitströmungen wie die Gemeinde Laodizäa, die wie ein versinkendes Schiff vom rechten Kurs abgewichen ist und ins Verderben schlingert, wie wir es vor drei Wochen gesehen haben. Dennoch ist auch diese Gemeinde, die wir heute besuchen, Gefahren ausgesetzt. Sie bindet sich zwar an das Wort Gottes, aber die Taue und Seilschlingen scheinen immer ein wenig lockerer und loser zu werden. Durch eine sanfte innerliche und äußerliche Verführung gerät diese Gemeinde da in die Gefahr, die erste Liebe zum Heiland zu verlassen. Vielleicht können wir heute aus Fehlern dieser Gemeinde lernen, selbst den rechten Kurs zu halten beziehungsweise ihn wiederzufinden. Besuchen wir heute die Gemeinde in Ephesus. Ich lese aus Offenbarung 2 die Verse 1 bis 7:

 

„1 Und dem Engel der Gemeinde in Ephesus schreibe: Das sagt, der da hält die sieben Sterne in seiner Rechten, der da wandelt mitten unter den sieben goldenen Leuchtern: 2 Ich kenne Deine Werke und Deine Mühsal und Deine Geduld und weiß, dass Du die Bösen nicht ertragen kannst; und Du hast die geprüft, die sagen, sie seien Apostel, und sind’s nicht, und hast sie als Lügner befunden, 3 und hast Geduld und hast um meines Namens willen die Last getragen und bist nicht müde geworden. 4 Aber ich habe gegen Dich, dass du die erste Liebe verlässt. 5 So denke nun daran, wovon Du abgefallen bist, und tue Buße und tue die ersten Werke! Wenn aber nicht, werde ich über Dich kommen, und Deinen Leuchter wegstoßen von Seiner Stätte – wenn Du nicht Buße tust. 6 Aber das hast Du für Dich, dass Du die Werke der Nikolaiten hassest, die ich auch hasse. 7 Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt! Wer überwindet, dem will ich zu essen geben von dem Baum des Lebens, der im Paradies Gottes ist.“

 

Wahrscheinlich ist Ephesus mit etwa einer halben Million  Einwohnern die bedeutendste Stadt der sieben Gemeinden. Ephesus ist zwar nicht Hauptstadt, aber als gut ausgebaute Hafenstadt das wichtigste politische Zentrum in Kleinasien. Ephesus ist gleichzeitig mit dem Götzentempel der Diana zum Mittelpunkt östlicher und asiatischer Religionsausübung geworden. Der Diana – Tempel steht auf hundert wuchtigen Säulen und wird als eines der sieben Weltwunder angesehen. Diana findet als sogenannte Schutzgöttin aller Prostituierten große Verehrung, sie  verkörpert mit ihrem vielbusigen Oberkörper Fruchtbarkeit und Sexualität. Viele antike Schriftsteller haben die Laster dieser Großstadt beschrieben. Auf wirtschaftlichem Gebiet ist die Herstellung von Diana – Figuren von größter Bedeutung. Die zahlreichen Silberschmiede treiben mit ihren silbernen Götzenbildern einen blühenden Handel, wie wir es auch in der Apostelgeschichte, Kapitel 19 nachlesen können. Ephesus ist außerdem  ein großes Bankenzentrum, denn hier befindet sich auch der sicherste Ort ganz Kleinasiens: ein gewaltiges Kellerzentrum unter dem Dianatempel. Auch die schwarze Magie blüht in Ephesus, Paulus kann offensichtlich einige Geistesbeschwörer zum lebendigen Glauben an Jesus führen, wer mag, kann es auch in der Apostelgeschichte 19  nachlesen. In dieser geistlich finsteren Hafenstadt, in der sich fast alles um diese Diana dreht, gibt es aber auch eine kleine Gemeinde von standhaften und treuen Christen. Paulus, Timotheus und auch Johannes haben hier lange Zeit gelebt und segensreich gewirkt.

 

Wir können davon ausgehen, dass die sieben Gemeinden der Sendschreiben verschiedene Zeitperioden der Kirchengeschichte darstellen. Diese Vermutung gründet sich natürlich nicht auf das Wort Gottes, sondern wir können diese These nur aus einer heutigen Rückschau ableiten. Nach dieser Auslegung ist Ephesus die erste der sieben Gemeinden, diese Gemeindeform existiert bis etwa 100 Jahre nach Christus und stellt kirchengeschichtlich die Zeit der Apostel dar. Ephesus bedeutet übrigens „wünschenswert“, diese Gemeinde befindet sich also noch in einem wünschenswerten Zustand.

 

Nach diesen einleitenden Gedanken möchte ich uns wieder eine kurze Gliederung geben von dem was uns heute in Ephesus erwartet:

 

Hauptteil

 

  1. Das Lob
  2. a) Der Zustand der Gemeinde Ephesus ist gut
  3. b) Irrlehren haben hier keine Chance
  4. Der Tadel
  5. a) Aktionismus ohne inneren Tiefgang
  6. b) Wesen und Merkmale der ersten Liebe
  7. c) Ist die erste Liebe in unserem Leben erkennbar?

 

  1. Die Rückkehr zur ersten Liebe
  2. a) Buße tun, umkehren
  3. b) Die ersten Werke tun
  4. c) Schwierigkeiten und Anfechtungen begleiten uns dabei
  5. d) Jesus belohnt unsere Umkehr auch heute schon

 

  1. Himmlische Verheißungen für Liebende
  2. a) Was ist ein Überwinder?
  3. b) Der Baum des Lebens

 

III    Zusammenfassende Schlussbemerkung

 

 

Bevor wir endgültig in Ephesus ankommen, singen wir doch gemeinsam die erste Strophe aus Lied 257

 

„Gott ist die Liebe, lässt mich erlösen, Gott ist die Liebe, Er liebt auch mich. Drum sag ich noch einmal: Gott ist die Liebe, Gott ist die Liebe, Er liebt auch mich.“

 

Jetzt sind wir in Ephesus, lesen wir den Vers 2

 

„2 Ich kenne deine Werke, deine Mühsal und deine Geduld und weiß, dass du die Bösen nicht ertragen kannst; und Du hast sie geprüft, die sagen, sie seien Apostel, und sind`s nicht, und hast sie als Lügner befunden, 3 und hast Geduld und hast um meines Namens willen die Last getragen und bist nicht müde geworden.“

 

Jesus hat viel Gutes über diese Gemeinde zu sagen. Er lobt die harte Arbeit und Mühsal in dieser aktiven Gemeinde. Diese Christen sind treu und geduldig und bereit, die Feindseligkeiten der Ungläubigen zu ertragen. Offensichtlich sind mit diesen Ungläubigen vor allem die Geschäftsleute gemeint, die diese Diana- Götzenbildnisse herstellen.  Und sicherlich haben auch die vielen Tempelprostituierten und natürlich auch die unzähligen römischen und griechischen Sextouristen viel Spott und Hohn über diese Christen gebracht. Aber die Christen in Ephesus haben durchgehalten und sind dabei nicht müde geworden. Die Gemeinde Ephesus hat darüber hinaus auch noch eine reine Lehre gehabt. Jesus nennt hier einige dieser Merkmale. Diese Christen haben die Sünde gehasst und böse Menschen in ihrer Mitte nicht geduldet. Sie besitzen die Gabe der Geisterunterscheidung und prüfen fremde Lehren und Lehrer mit der Folge, dass Irrlehren hier keine Chancen haben. Der Kirchenvater Ignatius soll sinngemäß gesagt haben, dass kein geistlicher Irrtum in Ephesus zu Hause ist. Im Vers 6 lobt Jesus ausdrücklich diese Epheser dafür, dass sie die Werke der Nikolaiten hassen. Es ist nicht sicher, wer diese Nikolaiten sind. Der Name bedeutet „Sieg über das Volk“. Wahrscheinlich sind sie liberale Namenschristen, die wohl auch mit den heidnischen Praktiken in Ephesus Kompromisse schließen möchten.  Andere Ausleger weisen darauf hin, dass dieser Name so viel bedeutet wie „Herrsche über die Laien“ und sie sehen darin einen Hinweis über das Aufkommen des Klerus, der katholischen Priesterschaft. Der Apostel Paules warnt die Ältesten zu Ephesus in  seiner Abschiedsrede vor Irrlehrern, ich lese aus der Apostelgeschichte 20, die Verse 29 und 30

 

„29 Denn das weiß ich, dass nach meinem Abschied reißende Wölfe zu euch kommen, die die Herde nicht verschonen werden. 30 Auch aus eurer Mitte werden die Männer aufstehen, die verkehrtes lehren, um die Jünger an sich zu ziehen.“

 

Während Ephesus diese Lehren der Nikolaiten noch abwehren kann und dafür von unserem HERRN Jesus ausdrücklich gelobt wird, ist diese Irrlehre bereits in der Gemeinde Pergamon, einer weiteren Gemeinde der Sendschreiben, zu Hause.

 

Singen wir nun die 2. Strophe aus Lied 257

„Ich lag in Banden der schnöden Sünde, ich lag in Banden und konnt nicht los. Drum sag ich noch einmal: Gott ist die Liebe, Gott ist die Liebe, Er liebt auch mich.“

 

Wenn ich mir so die Treue und die Bibelfestigkeit der Gemeinde Ephesus anschaue, wird mir immer klarer, wie schwierig es ist, heutzutage unbiblische Lehren, die oft verführerisch und verheißungsvoll klingen, abzuwehren. Da müssen die leitenden Geschwister aber wirklich ganz fest im Wort stehen. Ich habe früher gerne mal mit Zeugen Jehovas diskutiert, um ihnen etwas von der Jesus weiterzuerzählen, aber diese Gespräche scheiterten fast alle, ich wurde regelrecht mit zusammenhanglosen Bibelstellen erschlagen. Ein sogenanntes Erfolgserlebnis hatte ich denn doch bei einer sehr alten Zeugin Jehovas, die felsenfest entgegen ihrer Lehre behauptete, nur Zeugen Jehovas kämen in den Himmel. Sie konnte mir aber dazu keine passende Bibelstelle zeigen. Voller Stolz, es ihr aber gezeigt zu haben, verpetzte ich sie bei einem früheren Arbeitskollegen, der ein wirklich sattelfester Zeuge Jehovas ist. Das hätte ich wohl nicht tun dürfen, denn kurze Zeit später wurde diese alte Zeugin aus dem Verkehr gezogen, sie verlor ihren gewohnten Standplatz, ich habe sie seitdem nicht mehr gesehen. Mir tut diese arme, alte Frau heute leid. Einen Zeugen Jehovas der Irrlehre zu überführen, ist für einen Laien wie mich fast unmöglich. Wir können ihnen nur immer wieder bezeugen, dass wir etwas haben, was sie nicht haben, dass nämlich Jesus lebt und eben wahrhaftig in uns lebt. Und wenn wir es wirklich versuchen wollen, als nicht gerade bibelfeste Jünger Jesus, einen Zeugen Jehovas oder einen Mormonen oder auch einen Moslem zu Jesus zu führen, dann helfen da keine wortgewaltigen theologischen Wortgefechte, dann hilft kein theoretischer Kampf, um die reine Lehre zu erhalten – nein, dazu gehört dann viel Geduld und vor allem Liebe.

 

Die Königin Viktoria aus England ging, wenn sie in ihrer Sommerresidenz war, gern in einfacher Kleidung, unerkannt in den Wäldern spazieren. Eines Tages geriet sie auf solch einem Waldspaziergang in ein schweres Unwetter. Auf der Suche nach Schutz entdeckte sie ein kleines, einsames Bauernhaus. Die Königin klopfte und fragte die alte Bäuerin, ob sie ihr einen Regenschirm leihen könne. Sie werde dafür sorgen, dass er schnell zurückgebracht würde. Die alte Frau wusste nicht, wer da vor ihr stand und antwortete: „Ich habe zwei Schirme, der eine ist ganz neu, den gebe ich natürlich nicht her, aber den alten können sie haben!“ So brachte sie einen abgetragenen Schirm, der nicht mehr ganz heil und schon verschlissen war. Die Königin nahm den alten Schirm und machte sich auf den Heimweg. Wie groß war der Schreck der Bäuerin, als am nächsten Morgen ein Diener in königlicher Livree ihr mit freundlichen Grüßen der Königin den alten Schirm zurückbrachte. Untröstlich war die alte Frau darüber, dass sie der Königin nicht den neuen Schirm geliehen hatte. Immer wieder jammerte sie: „Wenn ich es nur gewusst hätte, ich hätte das Allerbeste angeboten.“

 

Dieser alten Bäuerin fehlte offensichtlich eine gehörige Portion Liebe. Vielleicht hat diese Bäuerin täglich einige Stunden in der Bibel gelesen, vielleicht hat sie gar viel gebetet – doch, wenn sie denn gläubig gewesen sein sollte, dann bestand der Glaube dieser Bäuerin wohl mehr aus Theorie als aus praktischer Liebe. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich die Gemeinde Ephesus vor lauter Gemeindearbeit und Lehre und Aktionismus sich immer mehr um sich selber gedreht hat als um unseren lebendigen und auferstandenen HERRN Jesus – wie vielleicht auch diese alte Bäuerin. Ich kenne auch einige Geschwister aus München, die sich vor lauter Terminen, Bibelabenden, Gebetsabenden, Hauskreisabenden, Brüderratssitzungen, Straßeneinsätzen dermaßen aufreiben, dass sie nur noch selten zur persönlichen Stillen Zeit kommen, eben weil da auch noch so viele andere Dinge wichtiger sind wie Familie, lärmende Kinder aber auch noch Überstunden in der Firma, Geburtstagsfeiern im Kollegenkreis, Dienstreisen…

 

Kann es sein, dass bei so viel Aktionismus dann die erste Liebe verlorengeht? Mir fällt auf, dass unser HERR Jesus zwar all die vielen guten Taten und Werke und Mühsalen, das ganze Prüfen und Ertragen und Befinden und Erdulden und nimmer müde werden der Christen in der Gemeinde Ephesus lobend erwähnt, aber diese Christen scheinen dies alles aus einer eigener Kraft heraus tun zu wollen.

 

Wie wir vor einigen Wochen gesehen haben, lobt Jesus die Gemeinde in Philadelphia ausdrücklich auch wegen ihrer Werke, ihrer Geduld und Treue und auch wegen ihrer gesunden Lehre, welche auch Sein Wort bewahrt! Es ist genauso wie hier in Ephesus. Aber dann erwähnt Jesus eine ganz entscheidende Sache, die Er in Philadelphia ganz besonders loben muss: Diese Gemeinde hat nämlich eine kleine Kraft bewahrt, und aus dieser kleinen Kraft heraus, die durch eine lebendige und liebevolle Beziehung zum HERRN entsteht und gepflegt wird, kann die Gemeinde Philadelphia vollmächtig handeln.

 

Singen wir jetzt die Strophe 3

„Er sandte Jesus, den treuen Heiland; Er sandte Jesus und macht mich los. Drum sag ich noch einmal: Gott ist die Liebe, Gott ist die Liebe, Er liebt auch mich“

 

Jesus beschreibt natürlich sehr lobend die Taten und Werke der Gemeinde in Ephesus – aber ER erwähnt hier keine kleine Kraft wie in Philadelphia. Wahrscheinlich ist diese Kraft schon aufgebraucht, und vor lauter Power vergisst Ephesus, sie zu erneuern, neu aufzutanken, die Batterie beim HERRN neu aufzuladen.

 

Eine fabrikneue Batterie läuft sicherlich sehr lange, und die apostolische Gemeinde Ephesus hat durch das Wirken der Apostel so viel Startkraft und Energie mitbekommen, dass so etwas eine lange Zeit gut geht. Aber nun muss unser HERR Jesus etwa dreißig bis fünfzig Jahre nach dem Wirken des Paulus in Ephesus folgendes feststellen

 

„4 Aber ich habe gegen Dich, dass Du die erste Liebe verlässt.“

 

Das ist der Hammer! Eine so fleißige Gemeinde verlässt die erste Liebe? Es steht hier nicht, dass Ephesus diese erste Liebe bereits verlassen hat sondern dagegen im Begriff steht, diese erste Liebe zu verlassen. In einem der schönsten Kapitel der ganzen Heiligen Schrift können wir etwas über diese erste Liebe erfahren, was sie bedeutet, was sie bezweckt und welches die Folgen sind, wenn wir diese erste Liebe nicht mehr haben. Ich lese aus dem 1. Korintherbrief 13, und weil es so schön ist, gleich die Verse 1 – 7 und den Vers 13

 

„1 Wenn ich mit Menschen- und mit Engelszungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. 2 Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts. 3 Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib verbrennen und hätte die Liebe nicht, so wäre mir`s nicht nütze. 4 Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, 5 sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, 6 sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit, 7 sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles. … 13 Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“

 

So wunderbar schön und einleuchtend beschreibt der Apostel Paules hier die erste Liebe. Und die Gemeinde Ephesus ist dabei, diese erste Liebe zu verlassen. Wie wir gesehen haben, ist ein Dienst ohne die erste Liebe zu Jesus wirkungslos, es ist ein kalter, auf ein soziales Niveau abgesunkener Dienst: Ein soziales Evangelium. Da können wir zwar viel Gutes und „Mitmenschliches“ tun, gar ein zweiter Pestalozzi oder ein zweiter Albert Schweizer werden, aber wenn die Triebfeder nicht die Liebe zu Jesus ist, hat unser Dienst dann keinen Tiefgang, sondern höchstens eine Breitenwirkung.

 

Hast Du, habe ich die erste Liebe vielleicht schon verlassen? Eine unangenehme Frage, die wir lieber verdrängen möchten. Ich werde mir nun auf keinen Fall anmaßen, uns zu ermahnen, uns auf Fehler hinzuweisen, die ich mache, die wir alle machen, die nicht gerade ein Zeichen von erster Liebe sind. Ich bin einer der vielleicht Jüngeren hier in der Gemeinde und da möchte und da darf ich es nicht wagen, irgendjemandem hier auf die Schuhe oder auf den Schlips zu treten mit einem direkten Zeigefinger, der womöglich noch in offenen Wunden herumrührt. Ich bin so froh, dass ich da vor einigen Tagen auf eine Geschichte gestoßen bin, die vielleicht sogar einige von uns schon kennen.

 

Stellen wir uns einmal vor, der HERR Jesus würde höchstpersönlich einmal in unser Haus oder in unsere Wohnung kommen, ganz überraschend, versteht sich, und da einmal nach dem Rechten schauen. Er wird dabei sicherlich viele Dinge entdecken, die darauf hinweisen, dass wir diese erste Liebe schon verlassen haben könnten. Der amerikanische Evangelist William Mc Donald hat einmal eine solche Situation beschrieben und dabei ein „ganz normales christliches Haus„, vielleicht ein wenig überspitzt, beschrieben und karikiert. Diese Geschichte hat mich schon ein wenig getroffen, sie wird auch uns ein wenig treffen.

 

Es geht los, es klingelt und der HERR Jesus betritt unser Haus!

 

Das Arbeitszimmer

Die Haustür war offen und wir traten in das geräumige Arbeitszimmer. Direkt vor uns stand mein geliebter Schreibtisch – echt Chippendale, teuer und exklusiv. Auf ihm lagen meine Sparbücher, Aktien, Wertpapiere und Versicherungspolicen. In dieser Welt der Unsicherheit und Unbeständigkeit gaben mir diese Dinge ein gewisses Gefühl der Sicherheit, wenn ich sie durch meine Hände gleiten lasse. Und noch etwas stand auf meinem Schreibtisch – ein Weltglobus. Und daneben stand mein Lieblings-Spruchkalender. Es war ein seltsamer Zufall, dass die Verse an diesem Tag gerade Matthäus 6, 19 – 21 waren:

 

´19 Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo sie die Motten und der Rost fressen und wo die Diebe einbrechen und stehlen. 20 Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo sie weder Motten noch Rost fressen und wo die Diebe nicht einbrechen und stehlen. 21 Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.`

 

Irgendwie war mir die unbeabsichtigte Zurschaustellung meines Reichtums sehr peinlich. Deshalb raffte ich schnell meine Schätze zusammen und legte mein Herz in den Safe zurück. Als ich zurück zum Schreibtisch kam, stand der HERR Jesus immer noch da und schaute auf den Globus, wobei Er gedankenvoll die verschiedenen Länder und Kontinente betrachtete. Ohne dass Er etwas sagte, wurde ich durchbohrt von der Erkenntnis, was diese meine Sicherheiten für die weltweite Verbreitung des Evangeliums tun könnten.

 

Über dem Schreibtisch hingen meine Zeugnisse. Ich hatte hart für sie und die Diplome, die danebenhingen, gearbeitet. Wie stolz war ich, auf so vielen Gebieten Hervorragendes geleistet zu haben. Das heißt, ich war so lange stolz, bis Jesus zu mir sagte: ‚Warum hast Du nach all diesen Ehren gestrebt?`  Das war alles, was er sagte.

 

Singen wir jetzt die Strophe 4

„Jesus, mein Heiland, gab sich zum Opfer, Jesus, mein Heiland, büßt meine Schuld. Drum

sag ich noch einmal: Gott ist die Liebe, Gott ist die Liebe, Er liebt auch mich.“

 

 

Schauen wir jetzt ins Badezimmer

Als wir den Flur entlang gingen, warf ich ein Blick ins Badezimmer und sah all die Toilettenartikel, die Fläschchen und Döschen und Gläschen. Meine elektrische Zahnbürste hing neben dem Medizinschrank. Sie war für mich immer selbstverständlich gewesen. Aber jetzt wunderte ich mich über mich selbst. Eine normale handgetriebene Zahnbürste würde ihren Zweck genauso erfüllen. Und mit dem Preisunterschied könnte jemand im fernen Malaysia das Evangelium hören. Das war mir nie zuvor in den Sinn gekommen. Ich war wie erschlagen von der Erkenntnis meiner Nichtswürdigkeit.

 

Das Esszimmer

Wir gingen ins Esszimmer und glücklicherweise gab es nichts besonderes Peinliches dort – nichts außer dem Silberservice und der Anrichte. Es beunruhigte mich, dass ich kürzlich in einem Buch gelesen habe: ‚In christlichen Heimen liegt in Form von  Gold und Silbergeschirr und nutzlosen Ziergegenständen genügend begraben, um eine Flotte von 50.000 Schiffen zu bauen, sie mit Bibeln aufzufüllen und mit Missionaren vollzuladen…` Ohne ein Wort zu sagen, nickte Jesus als Zeichen der Zustimmung zu meinen Gedanken. Auf dem Tisch war natürlich kein Essen, aber dennoch konnte ich nicht umhin, an viele Festmähler zu denken- bei denen wir aßen, bis uns unwohl wurde. Dann schleppten wir uns zum nächsten Sessel, um uns von der gewaltigen Anstrengung zu erholen – und um auf das Abendessen zu warten. Plötzlich dachte ich an die 7000 Menschen, die täglich vor Hunger sterben, in Ländern, wo kalorienbewusstes Essen unbekannt ist und Abmagerungsdiäten absurd  sind. Als der HERR Jesus so dastand, erinnerte ich mich, dass Er oft vom Fasten gesprochen hatte, aber ich hatte diese Verse immer in ein heilsgeschichtliches Schubfach abgelegt; sie waren nicht auf heute anzuwenden. Aber jetzt war ich mir nicht mehr so sicher. Vielleicht meinte Er tatsächlich, was Er sagte.

 

Das Schlafzimmer

Es war unvorsichtig gewesen, die Tür des Kleiderschrankes offen zu lassen. Es schaute wie ein kleines Kleidergeschäft aus. Ich brauchte wirklich nicht alles, aber irgendwie schmeichelte es meinem Ego. Oben im Schrank lagen zahlreiche Schmuckstücke. Niemals war mir der Gedanke gekommen, sie für das Werk des HERRN einzusetzen. Ich dachte an all diese Kleider, an den Schmuck, an die selbstsüchtige Geldverschwendung – all dies kann ich nicht mit in den Himmel mitnehmen! Und dann fiel mein Blick auf den Bibelspruch an der Wand, den ich beim Wettbewerb im Auswendiglernen in der Sonntagsschule gewonnen hatte: `Du sollst Deinen Nächsten lieben wie Dich selbst`.

 

Das Wohnzimmer

Als nächstes gingen wir ins Wohnzimmer. In der Ecke stand meine Golfausrüstung. Der HERR bemerkte: ‚Du spielst gerne Golf?` Diese Frage genügte, um einen begeisterten Vortrag über die Details dieses Spiels zu beginnen. Doch dann fragte ich mich, warum ich nicht ebenso begeistert und eifrig war, anderen das Evangelium mitzuteilen. Und ich fragte mich, ob ich überhaupt das Recht hatte, soviel Zeit und Geld zu verbrauchen, nur um einen kleinen, weißen Ball durch die Landschaft zu jagen. Auf dem Tisch lag ein Tagebuch. Das Tagebuch meiner kürzlichen Reise nach Athen. Diese Reise konnte ich rechtfertigen, wegen der Bezüge auf Athen in der Bibel. Ich dachte an die Orangen, Grapefruits und die köstlichen Trauben – doch dann war mir, als ob Jesus mich fragen würde, ob ich in Griechenland irgendwelche Frucht gebracht hätte… Jetzt machte ich mir Vorwürfe, dass ich als Urlauber und nicht als Seelengewinnler gereist war. Ich dachte an Paulus – er reiste nicht vergnügungssüchtig mit Touropa, nein, er reiste, um Seelen zu gewinnen. Mein Herz schlug, als Jesus zum Fernseher ging. Ich hatte Angst vor dem, was Er sagen würde. Die Stunden, die für Unsinn in beweglichen Farben vergeudet waren.. Die zweideutigen Witze, die so peinlich waren. Kein Zweifel, das Fernsehen hatte die Welt in mein Haus gebracht. Jesus sagte nichts. Er sagte nicht, dass es falsch war. Er sagte nicht, dass es Sünde war. Er sagte überhaupt nichts, und das machte mich elender als zuvor. Drüben in der Ecke konnte ich meine Briefmarkensammlung sehen – sämtliche Briefmarken, die Israel je herausgebracht hatte. Ich dachte: `Jesus wird sich darüber freuen, dass ich an Israel und seiner prophetischen Bedeutung interessiert bin.‘ Aber plötzlich dachte ich, was für Ihn erreicht werden könnte, wenn die Briefmarken verkauft und die Einnahmen in evangelistische Literatur investiert würden. Auf dem Kaffeetisch lag eine Rechnung vom Blumenhändler. Ich hatte ein Blumenbukett für 150 DM für eine Beerdigung gespendet. Jetzt schien es mir ziemlich unvernünftig, soviel Geld für Blumen auszugeben, die eine so kurze Existenz haben würden. Es wäre weit besser gewesen, für dieses Geld Bibeln zu kaufen und sie zu verschenken. Wie zu erwarten ging der HERR hinüber, um sich meine Büchersammlung anzusehen. Ich war stolz auf Darbys gesammelte Schriften, 34 Bände, in Leder gebunden. Aber um ehrlich zu sein, ich hatte kaum darin gelesen, aber sie verliehen mir den Anschein von Gelehrsamkeit und Geistlichkeit.

 

Die Garage

Ich wollte, wir hätten nicht in die Garage gehen müssen. Ich glaube, ich brauche nicht erst zu erzählen, was Jesus da alles sah: Den neuen Wagen, das Segelboot, die Sportausrüstungen – mir wurde übel bei dem Gedanken an all das teure Material, das dort lagerte. Als wir in den Innenhof hinaustraten, fragte mich der HERR – ziemlich sanft, wie mir schien –  ‚Bist Du glücklich, William?`  – Soweit diese Geschichte.

 

Singen wir jetzt die Strophe 5

„Du heilst, o Liebe, all mein Jammer; Du stillst, o Liebe, mein tiefstes Weh. Drum sag ich noch einmal: Gott ist die Liebe, Gott ist die Liebe, Er liebt auch mich.“

 

Sind wir in unserem Leben glücklich? Wenn wir uns in dieser Erzählung so einige Male wiedergefunden haben, dann kann das ein Hinweis darauf sein, dass wir dabei sind, die erste Liebe zu verlassen, dann mag das ein Indiz dafür sein, dass unsere glückliche und liebevolle Gemeinschaft mit unserem HERRN ein wenig gestört ist.

 

Jeder, der mit Jesus in Berührung kommt, muss früher oder später erkennen, dass es beim Christsein um alles oder um nichts geht. Jesus kann nicht nur mit einem Teilbereich unseres Lebens zufriedengestellt werden, Jesus klagt uns an, wenn wir die erste Liebe verlassen.

 

Ist Jesus für uns gestorben? Wir glauben es, natürlich. Dann müssen wir aber auch glauben, dass wir künftig Ihm und nicht uns selber gehören. Jesus ist nicht gestorben, um uns für ein selbstsüchtiges, genussreiches Leben zu erretten. Er starb, damit wir für Ihn und vor Ihm leben sollen. Wenn wir erkennen, dass Jesus für uns gestorben ist, dann gibt es darauf nur eine einzige Antwort – die völlige Hingabe an Ihn, das Verbleiben in der ersten Liebe! Glauben wir, dass die Bibel das Wort Gottes ist? Die meisten von uns würden natürlich die göttliche Inspiration der Schrift wortgewaltig verteidigen, und dennoch treiben wir durchs Leben und beschäftigen uns mit vielerlei anderen Dingen als eben nicht mit Seinem Wort und sind so dabei, die erste Liebe zu verlassen.

 

Und sollten wir tatsächlich die erste Liebe bereits verlassen haben, so sind wir als Seine Schafe, die niemand aus Seiner Hand reißen kann, natürlich nicht verloren. Aber wir dürfen und sollten dann schleunigst umkehren, lesen wir jetzt den Vers

 

„5 So denke nun daran, wovon du abgefallen bist, und tue Buße und tue die ersten Werke! Wenn aber nicht, werde ich über dich kommen und Deinen Leuchter wegstoßen von seiner Städte – wenn du nicht Buße tust.“

 

Was waren meine ersten Werke gewesen? Waren sie nur ein Strohfeuer, welches sich für kurze Zeit hell lodernd entfacht hat, schon bald aber wieder in sich zusammengefallen ist? Am Anfang meines Glaubenslebens habe ich mir viel mehr Zeit für den HERRN genommen, eine tägliche dreistündige Stille Zeit gehörte damals zur hoffentlich liebevollen Pflicht. Durch die geringe Entfernung zur Gemeinde konnte ich damals fast täglich die diversen Gemeindestunden und Veranstaltungen besuchen, ich verschickte evangelistische Kassetten an meine unbekehrte Verwandtschaft, habe an Straßeneinsätzen teilgenommen, fast jede Minute eines langen Tages war für den HERRN verplant.

Und heute? Die tägliche Stille Zeit ist arg zusammengeschrumpft, der Gemeindebesuch reduziert sich auf ein bis höchstens zwei Besuche wöchentlich, evangelistische Briefe und Telefonate gibt es nur noch recht selten. Vieles ist im Glaubensleben zur Routine geworden, gerade auch das Gebet. Ich gebe zu, schon oft sind meine Gedanken weit herumgereist, oft bis an das Ende der Erde, während ich hier beim Brotbrechen oder beim Gottesdienst zu mindestens körperlich anwesend war. So können wir auch diese erste Liebe verlassen, auch jetzt in diesen Minuten…

 

Mein dickes ich, das Fleisch, kämpft immer wieder darum, als Star behandelt zu werden. Es will bis zum Überdruss mit Nahrung versorgt werden, von Annehmlichkeiten umgeben sein und mit Aufmerksamkeiten bedacht werden. Wenn ich hier nicht einmal „nein“ sage, wird es in meinem Leben keinen großen Fortschritt mit Jesus geben. Es sollte mir wieder in Fleisch und Blut übergeben, früher aufzustehen, um die Zeit mit Jesus auszukaufen. Und wer kein Frühaufsteher ist, der tut gut daran, doch täglich eine feste Zeit der Stille mit seinem HERRN zu vereinbaren.

 

Durch einen gewaltigen Mangel an Disziplin sind wir als Christen zu einem machtlosen Riesen geworden. Die Welt, die auf uns schaut, verspottet uns deshalb. Unser dickes Ich, unser Stolz, unsere Selbstsucht, all das muss abnehmen, erst dann kann unser HERR immer mehr in uns wachsen. Johannes der Täufer gibt uns diese Erkenntnis auch weiter, wenn er in Johannes 3 sagt

 

„30 Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen.“

 

Jesus wird in uns nur wachsen, wenn wir unsere Schuld erkennen, sie zugeben und dann umkehren, Buße tun, wie es im alten Lutherdeutsch so schön heißt. Auch wenn wir immer wieder über die gleiche Sünde stolpern, so dürfen wir dann doch immer wieder umkehren, die Gnade Jesus steht uns unbegrenzt offen, wir brauchen sie nur in Anspruch zu nehmen. Wenn wir jedoch auch im Glauben weiter wachsen wollen, dann empfiehlt uns Jesus hier, wieder die ersten Werke zu tun. Aus persönlicher Erfahrung kann ich da besonders empfehlen, die Bibel konsequent in einem Jahr durchzulesen. Es gibt hier viele Bibellesepläne, auch sogenannte Jahresbibeln. Wenn wir so beständig in Seinem Wort bleiben, hören wir täglich Seine Stimme und können Sein Wort so auch tun. Dann merken wir, dass wir in unserer ersten Liebe bleiben werden beziehungsweise immer wieder zu ihr zurückkehren können. Und der HERR Jesus lässt sich von uns nichts schenken, er hat uns ja so lieb und gibt uns doppelt, dutzendfach und hundertfach immer wieder mehr zurück!

 

In den ersten Monaten meines Glaubenslebens hauste ich noch immer in einer sehr engen, nur 18 qm großen Appartementwohnung mitten in München, direkt neben einer lauten U – Bahn Baustelle, auf der es von morgens um 6 Uhr bis gegen 22 Uhr nachts nur so hämmerte und rüttelte. Mit über 1000 anderen Kollegen arbeitete ich in einem großen und anonymen Krankenhaus. Diese Zeit hätte ich nicht überlebt, wenn da nicht die Gemeinde gewesen wäre und wenn ich mich nicht permanent an Seinem Wort festgebunden hätte, zu Hause immer nur zusätzlich mit Ohropax. Während mein heutiges Gebet oft schläfrig ist, schrie ich damals, auch im Schutz des ohrenbetäubenden Straßenlärms, täglich zum HERRN. Am Anfang meines Glaubenslebens blieb mir gar nichts anderes übrig, als möglichst treu und eng dem HERRN nachzufolgen!

 

Und der HERR, ich darf es bezeugen, belohnte meine erste Liebe ganz gewaltig! Heute darf ich ganz privilegiert in einem der schönsten Wohngegenden Deutschlands wohnen, und die Arbeit ist zur Lebensaufgabe geworden, so viel Freude macht sie mir immer noch! Wie sehr muss ich da doch aufpassen, dass ich allezeit in der ersten Liebe bleiben darf, dass ich zuallererst nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit trachten kann, damit mir auch weiterhin so viel Gnade zufallen wird!

 

Die Warnung in unserem Vers fünf, dass Jesus den Leuchter wegstoßen wird, wenn nicht Buße getan wird, betrifft natürlich die ganze Stadt Ephesus und nicht einzelne Christen. Jesus hat seine Drohung mittlerweile wahrgemacht. Im Jahre 630 fällt Ephesus in die Hände der Türken und wird dann im Jahre 1402 endgültig zerstört. Der Leuchter ist weggestoßen, Ephesus ist heute eine einzige Ruine.

 

Singen wir nun die letzte Strophe aus Lied 257

„Dich will ich preisen, Du ewge Liebe; Dich will ich loben, so lang ich bin! Drum sag ich noch einmal: Gott ist die Liebe, Gott ist die Liebe, Er liebt auch mich.“

 

Im Vers sieben, dem letzten Vers dieses Sendschreibens, erfahren wir dann etwas über die himmlische Belohnung, die auf diese Christen wartet, welche umgekehrt sind zur ersten Liebe und welche die ersten Werke wieder getan haben.

 

„7 Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt! Wer überwindet, dem will ich zu essen geben von dem Baum des Lebens, der im Paradies Gottes ist.“

 

Was bedeutet nun: „Wer überwindet…“? Was ist ein Überwinder? Dies ist nicht nur eine entscheidende Frage für die Auslegung dieses Briefes an Ephesus, sondern auch für die Auslegung aller sieben Sendschreiben. Vor drei Wochen habe ich hier sinngemäß gesagt, dass die Überwinder gläubige Christen sind. Dies ist zwar zutreffend, aber dennoch nicht ganz richtig. Paul Timblin, Lehrer an der Bibelschule Brake gibt uns dazu folgende, wertvolle Gedanken, die ich zusammengefasst zitieren darf.

 

Manche Ausleger meinen, daß die Überwinder in der Offenbarung alle Christen sind. Sie benutzen den folgenden Vers aus 1. Johannes 5, 4-5, um das zu unterstützen:

 

„4 Denn alles, was von Gott geboren ist, überwindet die Welt; und unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat. 5 Wer ist es aber, der die Welt überwindet, wenn nicht der, der glaubt, dass Jesus Gottes Sohn ist?“

 

Diese Ausleger würden behaupten, dass, wenn jemand von den Ephesern nicht überwindet, dass er nicht gläubig ist. Aber: Wenn alle Gläubigen Überwinder sind, dann haben die Warnungen in den Sendschreiben nur wenig Bedeutung. Wenn aber Warnungen keine Warnungen mehr sind, dann sind solche Warnungen lächerlich.

 

Andere Ausleger meinen, dass die Überwinder Gläubige sind, die durch ihr Überwinden ihr Heil behalten oder besser gesagt – nicht verlieren. Aber: Lehren wir, dass ein Mensch durch Werke gerettet wird oder durch Werke sein Heil festhalten kann?? Nein, natürlich nicht!

 

Eine dritte und nach Meinung Timblins beste Möglichkeit der Auslegung ist, dass die Überwinder in der Offenbarung gläubige Menschen sind, die durch ihre Treue bei einem bestimmten Test eine besondere Belohnung bekommen. Das Neue Testament sagt nicht aus, dass alle Gläubigen immer siegen werden. Der Überwinder in der Offenbarung siegt in Bezug auf bestimmte Situationen: Entweder tut er Buße wegen seiner Lieblosigkeit oder nicht, entweder bleibt er treu in der Verfolgung bis zum Tod oder nicht, entweder bewährt er sich in der Trübsal oder nicht, entweder verlässt er seine erste Liebe oder nicht usw usw. …

 

Meinen wir denn wirklich, dass ein Gläubiger, der nicht zu seiner ersten Liebe zurückfindet, entweder nicht gläubig ist oder sein Heil verliert? Viel realistischer ist es, dass die Gläubigen nicht in allen Situationen überwinden werden. Das hat aber nichts mit ihrem Heil, sondern mit ihrem Lohn beziehungsweise ihrer Erbschaft zu tun. Der Theologe Dillow definiert treffend: „Der Überwinder ist der einzelne Christ, der besondere Vorteile in der Ewigkeit genießt, weil er nicht bereit war, seinen Glauben in schwierigen Situationen hier auf dieser Erde aufzugeben.“

 

Vor diesem Hintergrund meint der Bibellehrer Paul Timblin, dass das Essen zu dürfen vom Baum des Lebens nicht vom Heil spricht. Der Gläubige, der das Leben schon hat, braucht natürlich nicht vom Baum des Lebens zu essen, um das ewige Leben aufrechtzuerhalten oder zu behalten.

 

Schauen wir noch einmal zurück in das 1. Buch Mose. Nachdem Adam vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen gegessen hatte, wurde er aus dem Paradies vertrieben, damit er nicht etwa auch noch vom zweiten so bedeutungsvollen Baum, dem Baum des Lebens, essen würde. Dieser Baum des Lebens ist auch ein Bild auf Jesus Christus hin, dieser Baum ist die Urquelle des ewigen Lebens, die Früchte dieses Baumes nähren das ewige Leben. Damit Adam nach seinem Sündenfall nicht davon essen und ewig auf Erden leben sollte, trieb Gott ihn aus dem Paradies, denn der Tod ist der Sünde Sold. Die Konsequenzen wären unvorstellbar gewesen, wenn Adam dann auch noch vom Baum des Lebens genascht hätte, dann wäre die Sünde wohl unsterblich gewesen, dann hätte Gottes Heilsplan für uns wohl so nicht funktioniert…! Aber Gott hat dies – Gott sei Dank! – durch die Vertreibung aus dem Paradies verhindern können. Und so dürfen die Überwinder als besondere Belohnung im Paradies vom Baum des Lebens essen, also in Ewigkeit vollkommen eins sein mit dem HERRN Jesus. Denken wir da an die Aussage Jesus in Johannes 15

 

„5 Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben“!

 

Die Gläubigen dagegen, die praktisch nicht überwinden, nicht zu ihrer ersten Liebe zurückkehren – was passiert mit ihnen? Lesen wir jetzt noch aus dem 1. Korintherbrief 3 die Verse

 

„14 Wird jemandes Werk bleiben, dass er darauf gebaut hat, so wird er Lohn empfangen. 15 Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden leiden; er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durchs Feuer hindurch.“

 

Wir sehen also, das Kreuz von Golgatha bringt auch den Gläubigen, die kein treues und vom HERRN erfülltes Leben geführt haben, das Heil – aber wir sehen auch, wie großartig die Belohnung für die Überwinder sein wird, wie wichtig ein hingegebenes Leben ist!

 

Zum Schluss noch ein Blick ins Matthäusevangelium. Da fragt ein Schriftgelehrter unseren Herrn Jesus im 22. Kapitel

 

„36 Meister, welches ist das höchste Gebot im Gesetz?“

 

Und Jesus antwortet

„37 Du sollst den HERRN, Deinen Gott, lieben von ganzen Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt. 38 Dies ist das höchste und größte Gebot. 39 Das andere aber ist dem gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. 40 In diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.“

 

Wie wichtig diese agape, diese erste Liebe ist, belegt auch der Römerbrief im 13. Kapitel

 

„10 Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses. So ist nun die Liebe des Gesetzes Erfüllung.“

 

Liebe Freunde und Geschwister, verlassen wir doch diese erste Liebe nicht! Und wenn wir sie bereits verlassen haben, dann kehren wir doch um, zu Jesus zurück und tuen dann wieder die ersten Werke! Die Belohnung wird überragend sein, wir brauchen uns dann nicht mit einem Himmelsvorhof zufriedengeben, nein, wir dürfen dann praktisch im siebenten Himmel eine ewige Gemeinschaft mit unserem HERR und Heiland haben, am Baum des Lebens, im Paradies!

 

„Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!“

 

 Amen!